7. Anwendungen von EROS7
7.1. Auf organisch-chemische Reaktionen
7.1.1. Laborchemie und Chargenprozesse
Im Labor werden Reaktionen in der Regel in einem Dreihalskolben, Schlenkrohr oder ähnlichen Geräten durchgeführt. Zu Beginn werden die Edukte in den Kolben gefüllt und die gesamte Reaktionsmischung nach Ablauf der Reaktionszeit aufgearbeitet.
Da die Reaktionsgefäße im Labor keine übermäßigen Dimensionen annehmen, ist die vollständige Durchmischung auch sehr gut gegeben. Analog geht man bei industriellen Chargenprozessen vor, wie sie beispielweise bei der Synthese kleinerer
Mengen eines Medikaments eingesetzt werden. (Nach Beendigung der Reaktion und Entfernung der Reaktionsmischung kann das Reaktionsgefäß wieder neu mit Edukten für die gleiche oder auch eine andere Synthese befüllt werden.) Es werden immer
wieder Synthesen vom Befüllen bis zur Entnahme der Produkte vorgenommen, um anschließend wieder mit dem Befüllen zu beginnen. Der idealisierte Reaktor einer solchen Reaktionsführung ist der absatzweise betriebene, ideale Rührkessel
(AIK, siehe 6.7.4.2).
7.1.1.1. Bromierung von Phenol
Als Beispiel der Reaktionsführung eines absatzweise betriebenen, idealen Rührkessels wird nachfolgend die Bromierung von Phenol gezeigt. Ausgangsmaterialien sind elementares Brom und Phenol. EROS7 benötigt zur Simulation dieser elektrophilen,
aromatischen Substitution einen Reaktor mit einer Phase im Modus Rührkessel", die keine Zu- und Abflüsse besitzt. Die Anfangskonzentrationen der Edukte werden mit 0.1 mol/l für Phenol und 0.4 mol/l für Brom festgelegt. (siehe Abbildung
142)

Abbildung 142: Ausgangsmaterialien und Einstellungen der Reaktoren und Phasen für die Bromierung von Phenol als Chargenprozeß.
Der folgende Ausschnitt der Tcl-Regeln zeigt die Einstellungen im Teil INIT_RULES. Bei Kommentaren in Tcl (# ....) ist zu beachten, daß sie nicht an beliebigen Stellen stehen dürfen (siehe Anhang B.1).
proc Tcl_rule {} {
global irule op sub_op rule_trace
global_name
global k
global attrib_1 center_1 rule_1
global rname rdate inphase phasepr phaseprop pcontacts in2gether
global outphase kinmode minconc rxtime convlim sconc
switch $irule {
GLOBAL {
switch $op {
INIT_RULES {
# golbale Einstellungen
set rname elektrophile aromatische Substitution"
set rdate 29.09.97"
# Einstellungen der Phasen und Reaktoren
# Inputphasen der Reaktoren
set inphase(0) 0
# 1 Phase im ersten Reaktor
set phasepr {1,0}
# Phasenmodi
set phaseprop(0) $MIX"
# keine Phasenkontakte
set pcontacts(0) 0
# alle Aggregate kommen zusammen in den Reaktor 1
set in2gether(0) 1
# Ausgabephase
set outphase 1
# Uebergabe der Variabeln an EROS7
putco input_phase_for_reactors inphase
putco phases_per_reactor phasepr
putco phase_property phaseprop
putco phase_contacts pcontacts
putco use_all_educts_together in2gether
putco output_phase outphase
# kinetische Einstellungen
# Reaktor 1: Gear-Algorithmus
set kinmode(0) gear
# minimale Konzentration fuer ein reagierendes Aggregat
set minconc 1.e-5
# maximale Reaktionszeit in Sekunden
set rxtime 5000.
# minimaler Umsatz; 1.0=100%
# es gibt also keinen Umsatzbedingten Abbruch
set convlim 1.0
# Anfangskonzentration fuer die Edukte in mol/l
set sconc(0) 0.1
set sconc(1) 0.4
# Anfangswert fuer die Reaktivitaet
set k 0.0
# Uebergabe der Variablen an EROS7
putco kinetic_model kinmode
putco minimal_concentration minconc
putco reaction_time rxtime
putco conversion_limit convlim
putco multi_dose multid
put reactivity k
put start_conc sconc
}
...
Desweiteren ist in den Regeln der Reaktionstyp der elektrophilen, aromatischen Substitution enthalten, die nur in ortho- und para-Position zur OH-Gruppe gestattet ist. Mit diesem Reaktionstyp baut EROS7 in drei Reaktionsebenen das Reaktionsnetzwerk auf, das
in Abbildung 143 dargestellt ist.

Abbildung 143: Reaktionsnetzwerk der Bromierung von Phenol.
Zur Ableitung der Geschwindigkeitskonstanten konnten in der Literatur folgenden Daten gefunden werden: in [65] steht, daß die Nitrierungsgeschwindigkeit von Brombenzol nur 3% der von Benzol beträgt. Dies wird
verallgemeinert und angenommen, daß die Bromierungsgeschwindigkeit je zusätzlichem Bromsubstituenten am Phenol auf 3% des Wertes sinkt, der sich mit einem Bromatom weniger ergeben würde. [56] kann entnommen
werden, daß p-Bromphenol aus Phenol mit einer Ausbeute von 80-84% gewonnen werden kann. Da es zwei gleichwertige ortho-Positionen bei Phenol gibt und etwa 80% p-Bromphenol entstehen, ist die Bromierung in para-Position etwa achtmal so schnell wie in ortho-Position.
Da keine absoluten Geschwindigkeitskonstanten zweiter Ordnung bekannt waren, wurden sie auf 0.08 für die Para- und 0.01 l/s·mol für die ortho-Substituierung von Phenol festgelegt. Mit diesen Geschwindigkeitskonstanten für die einzelnen Reaktionen
kann EROS7 die Konzentrationsverläufe der entstehenden Produkte vorhersagen. In Abbildung 144 ist zu sehen, daß zunächst o- und p-Bromphenol etwa im Verhältnis 1:4 entstehen, die anschließend zu
o-,p-Dibromphenol umgesetzt werden.
Da für die absolute Größe der Geschwindigkeitskonstanten ein Faktor von 0.01 l/s·mol angenommen wurde und kein experimenteller Wert verwendet wurde, ist die Zeitskala in den Abbildungen 144 und 145
nur relativ anzusehen, weshalb keine Werte angegeben wurden. Werden die Geschwindigkeitskonstanten, wie oben gesagt, verwendet, entspricht der dargestellte Zeitraum 5000 Sekunden.

Abbildung 144: Konzentrationsverläufe der Edukte und Produkte der Bromierung von Phenol.
Um den Konzentrationsverlauf der nur langsam und in geringen Mengen auftretenden Verbindungen besser sehen zu können, zeigt Abbildung 145 die Konzentrationen bis 0.1 mol/l über den gleichen Zeitraum als vergrößerten
Ausschnitt.

Abbildung 145: Konzentrationsverläufe der Edukte und Produkte der Bromierung von Phenol. Ausschnitt bis zu einer Konzentration von 0.1 mol/l.
In Abbildung 145 ist auch der Verlauf des nur wenig gebildeten o-,o'-Dibromphenols sowie des Tribromphenols gegen Ende des betrachteten Zeitraums zu erkennen.
Berechnungszeit auf einer SparcStation 10/50 mit 32 MB in Min.:Sek.: 1:37
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